Mission und Dialog

Mission und Dialog

Ein Beitrag aus evangelischer Sicht

Das Stichwort "Mission" ist ein Reizwort im interreligiösen Dialog. Deshalb fragten sich die Mitglieder der CIG Karlsruhe: Was ist Mission, wie wichtig ist uns Mission? Unser Karlsruher Mitglied Albrecht Fitterer-Pfeiffer, der selbst einige Jahre mit der Berufsbezeichnung "Missionar" gearbeitet hat, stellt seine Sicht dar.

1. Einleitung

1.1 Ein emotional besetztes Thema - Mission ist tabu im Dialog

Vermutlich weckt kaum ein Thema so heftige Emotionen bei denen, die sich im christlich- islamischen Dialog engagieren, wie die Frage nach Mission. Auf einer Tagung zum interreligiösen Dialog in Freiburg vor eineinhalb Wochen stellten sich mehrere Gruppen vor, die einen Dialog zwischen Christinnen, Muslimas und auch anderen Religionen führen. Alle äußerten sich kritisch zum Thema Mission. Sehr pointiert zum Ausdruck kam diese Kritik zum Beispiel in einer Äußerung von Schech Bashir Ahmad Dultz: „Jede organisierte Form der Mission ist eine Beleidigung anderer Religionen.“

1.2 Manchmal muss Mission tabu sein, um Dialog zu ermöglichen

Ich verstehe diese Haltung gut, und vielleicht ist diese Haltung in bestimmten Stadien des interreligiösen Dialoges notwendig, um diesen Dialog überhaupt zu ermöglichen. Vermutlich ist diese Haltung auch psychologisch sehr verständlich: Wenn mir der Dialog wichtig ist, erlebe ich immer wieder, wie Menschen, die ihre Form der Mission über den Dialog stellen, diesen Dialog erschweren oder verunmöglichen. Innerhalb der eigenen Religion sind es ja oft gerade diejenigen, die den Dialog überhaupt ablehnen, die gleichzeitig am lautesten Mission fordern. Und genau diese Forderung nach Mission erschreckt oft meine Gesprächspartner der anderen Religion, mit der ich im Dialog bin, am meisten. Vordergründig bietet es sich also an, Mission und Dialog als Alternativen zu betrachten und als Menschen, die im Dialog miteinander stehen, Mission abzulehnen.

1.3 biografische Notizen:

Ich selbst habe in der lutherischen Kirche in Papua Neuguinea mit der Berufsbezeichnung „Missionar“ mitgearbeitet. Auch wenn es im Gespräch mit Muslimen manchmal praktisch wäre, Mission abzulehnen, wäre ich unglaubwürdig in jeder Richtung, wenn ich dies täte.

Ich habe immer wieder erlebt, dass Politikerinnen und Politiker ihre politischen Position mit der Erwartung oder dem Anspruch vorgetragen haben möglichst viele andere Menschen für diese Position zu gewinnen. Manchmal habe ich diesen Anspruch als unangenehm „missionarisch“ erlebt, ihnen wurde aber nie ein ähnlicher Verdacht entgegengebracht wie mir, selbst wenn ich weniger offensiv werbend für meine christliche Überzeugung eingetreten bin.

Für ein westliches Verständnis der Menschenrechte offensiv einzutreten gilt in der Regel weniger als anstößig als für den christlichen Glauben (oder auch das muslimische Bekenntnis) werbend einzustehen. Als Missionar in Papua Neuguinea gewesen zu sein setzt mich hier dem Verdacht aus, Menschen einen fremden Glauben überstülpen zu wollen. Entwicklungshelfer oder auch westliche Kaffeeaufkäufer werden nicht verdächtigt. Offensichtlich gibt es kein Problem mit Mission, sondern mit dem Glauben.

All dies bewegt mich dazu, der Frage nach Mission tiefer auf den Grund zu gehen.

2. Mission gehört notwendig zur Begegnung von Christentum und Islam

2.1 Theologisch: Mission ist im Wesen des Christentums und des Islam verankert.

Christlich: Mission als Gebot: Missionsbefehl Matthäus 28,18-20

Mission Gottes: Gott hat Jesus Christus in die Welt gesandt, dass die Welt durch ihn gerettet wird.

Muslimisch: Sure 9,33

2.2 Anthropologisch: Menschen, sofern sie die Grenzen ihrer Gruppe überschreiten, sind missionarisch

Menschen, denen gegenüber ich meine Grundüberzeugungen nicht vertrete und die ich nicht für meine Grundüberzeugungen werbe, sind mir nicht wichtig (oder das, was ich als meine Grundüberzeugung ausgebe, ist mir nicht wirklich wichtig). In der Missionsgeschichte waren die Missionare diejenigen, die die Menschen anderen Glaubens als Menschen betrachteten und nicht als hochentwickelte Affen.

Ich vermute hier, dass das Modell der Dissonanzreduktion der kognitiven Psychologie greift. (Siehe zum Beispiel: Walter Rebell, Sozialpsychologische Studien zu Paulus, Gerd Theissen, Psychologische Aspekte paulinischer Psychologie).

Auch die EKD vertrat 1999 diesen Ansatz: „Wer glaubt, kann nicht stumm bleiben. Wer glaubt, hat etwas zu erzählen von der Güte Gottes. Darum tragen wir die Bilder des Lebens, des Trostes und der Sehnsucht weiter und treten ein für die Sache Gottes – leise und behutsam, begeistert und werbend.” So heißt es in der von der EKD-Synode 1999 in Leipzig beschlossenen Kundgebung zum Schwerpunktthema „Der missionarische Auftrag der Kirche an der Schwelle zum 3. Jahrtausend”.

3. Mission ja, aber wie?

3.1 Verschiedene Verständnisse von Mission auf Grundlage verschiedener biblischer Aussagen:

3.1.1 Matthäus 28,18-20


ist wohl der am häufigsten in den Kirchen zitierte Missionsbefehl. Christus der Auferstandene spricht: “

Die Gewalt ist Christi. Hingehen zu allen Völkern ist Partizip.

3.1.2 Aussendungsrede Jesu: Auftrag an die Jünger zu predigen und unreine Geister auszutreiben

Markus 6,7-13

3.1.3. 1. Timotheus 2,4

Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.

3.1.4 1. Petrus 3,15+16a

Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, und das mit Sanftmut und Gottesfurcht.

3.2. Wichtige Schritte im Missionsverständnis

Kennenlernen

Alle guten Missionare in der Missionsgeschichte sind in das Missionsland gegangen und haben erst mal gelernt. (Sprache, Kultur, indigene Religion) Erst wenn ich meinen Partner verstehe, kann ich beginnen, Mission zu treiben.

Offenheit, sich selbst korrigieren zu lassen

Beim Werben für die eigene Position die Schwächen nicht verschweigen

Es geht nicht darum zu siegen, es geht nicht darum dem anderen seine Religion wegzunehmen, sondern einzig und allein darum, den anderen die Freude an der eigenen Position zu schenken, sie teilhaben zu lassen.

Mission orientiert sich an dem, was ich glaube, an dem, was mir wichtig ist. Von dem will ich erzählen, das möchte ich anderen schenken; ich glaube, auch Gott möchte, dass andere daran teilhaben. Für Gott sind aber Formalia nicht wichtig. Meine Mission richtet sich also mindestens in gleicher Weise – wenn nicht zuerst und vor allem – an die, die zwar formal getauft sind, aber meinen Glauben nicht wirklich teilen, wie an die, die nicht getauft sind. Ich habe nicht durch die formale Mitgliedschaft oder dadurch, dass andere das gleiche Glaubensbekenntnis sprechen wie ich, mein Missionsziel erreicht.

3.3 Die abrahamischen Religionsgemeinschaften als Sonderfall

In den Evangelischen Landeskirchen besteht weitgehend Einigkeit, dass gegenüber Juden Mission verboten ist, denn

wir teilen mit Israel einen Großteil der Bibel,

wir glauben bereits an den selben Gott,

Israel ist nach der Bibel Gottes erwähltes Volk.

Gegenüber dem Islam gibt es über diese Fragen bisher noch kaum Einigkeit, die Fragen wurden bisher einfach zu wenig diskutiert. Zudem haben wir gegenüber dem Judentum, das schon vor dem christlichen Glauben da war, Hinweise in der Bibel, der Islam ist aber erst später entstanden.

Gegenüber Muslimen kann ich immerhin sagen

Ich selbst bin überzeugt, wir glauben an denselben Gott. Geschichtlich herrscht daran kein Zweifel. Aber es gibt viele Christen, die meinen, das Gottesbild des Koran bzw. der Muslime sei so anders als das biblische, dass wir nicht vom selben Gott sprechen können. (Ich habe dafür ein bisschen Verständnis, weil ich auch einst behauptet habe, wenn das Bild ein ganz anderes ist, dann ist es nicht derselbe Gott.)

Wir teilen mit dem Islam zwar nicht Teile der Bibel, aber biblische Geschichten, ja der Islam anerkennt das Evangelium.

Dass Gott die Gemeinschaft der Musliminnen und Muslime erwählt hat, können wir glauben oder anerkennen – aber es steht so nicht in der Bibel.

4. Lassen wir uns nicht irritieren durch die, die nicht einverstanden sind

Es wird immer Christen geben, die sich nicht auf den Konsens der theologischen Lehre einlassen, es wird immer Minderheiten in der Kirche geben, die eine andere, eigene Missionstheologie vertreten.

5. Anfrage an Muslime

Im Gespräch mit den Juden und Jüdinnen ist es für die christliche Seite psychologisch einfach zu sagen, wir missionieren nicht, denn Juden missionieren auch nicht unter uns.

Inwieweit können auch Muslime die Christen als Sonderfall betrachten und auf Mission unter Christen verzichten?

Albrecht Fitterer-Pfeiffer